Strategie braucht keine Methode – sondern einen Menschen.

Warum Strategie ohne Talent nicht funktioniert und besser nein sagt, als ja.

18.10.2025

Strategie ist in den meisten Organisationen eine Pflichtübung. Ein Ritual.

Es gibt Workshops und ausgefeilte Prozesse, meist mit engagierten Beratern. Der Prozess ist wichtiger als das Ergebnis. Die Strategie bleibt abstrakt, in Appellen, Wünschen und Werten verhaftet.

Drei Monate später erinnert sich niemand mehr daran. Und noch schlimmer: Die Menschen, die die Arbeit leisten, können die Strategie nicht nutzen, um Entscheidungen zu treffen.

Das Ergebnis: Dokumente, die niemand nutzt.

Das Problem ist nicht die Umsetzung. Das Problem liegt früher. Bei der Frage, wie Strategie überhaupt entsteht.

Die falsche Frage.

“Wie macht man eine gute Strategie?”

Das ist die Frage, die vor und in Strategieklausuren gestellt wird. Und sie führt in die Irre, weil sie suggeriert, Strategie sei eine Methode. Ein Prozess. Wenn wir nur die richtigen Schritte befolgen, haben wir eine gute Strategie.

Aber es gibt kein Wissen für eine gute Strategie. Keine Formel. Kein Framework, das garantiert funktioniert.

Die Wie-Frage produziert ausgefeilte Prozesse. Business Model Canvas. Strategieworkshops. Design Thinking. OKRs. Diese Werkzeuge sind nicht nutzlos, aber sie sind intentionslos. Ohne jemanden, der strategisches Gespür hat, verpuffen sie.

Der Grund ist einfach: Werkzeuge können nur dann wirken, wenn jemand da ist, der weiß, wofür er sie einsetzt. Und dieses Wissen ist kein Methodenwissen. Es ist Gespür. Talent.

Die richtige Frage

“Wer kann gut Strategie?”

Das ist die entscheidende Frage. Und die unbequeme.

Denn sie verlagert den Fokus vom Wie zum Wer. Vom Prozess zum Menschen. Von der Methode zum Talent.

Organisationen brauchen keine besseren Strategie-Methoden. Sie brauchen Menschen, die strategisch denken können. Die ein Gespür haben für den Markt. Für die Organisation. Für das, was funktionieren könnte – und was nicht.

Das lässt sich nicht in einem Workshop erarbeiten. Das lässt sich nicht demokratisch beschließen. Das ist Talent.

Und Talente sind selten. Noch seltener ist, dass sie sich selbst als solche erkennen. Denn für sie ist ihr Gespür normal. 

Was Strategie wirklich ist.

Bevor wir weitergehen, eine Klarstellung: Strategie wird meist verstanden als “der Weg von A nach B”. Das ist nicht falsch, aber unvollständig.

Strategie ist nicht dasselbe wie ein Plan.

Ein Plan wird genutzt, wenn es Wissen gibt. Wenn klar ist, was zu tun ist, um ein Ziel zu erreichen. Ein Plan ist linear. Er folgt einer Logik: Wenn wir X tun, passiert Y.

Strategie hingegen wird genutzt, wenn es kein Wissen gibt. Wenn die Zukunft unsicher ist. Wenn der Weg zum Ziel nicht klar ist.

Strategie definiert einen Raum, in dem in hoher Dynamik Ideen entstehen können, um das Ziel zu erreichen. Sie sagt nicht: “Tu das und das.” Sie sagt: “Wir bewegen uns in diesem Raum. Alles außerhalb lassen wir weg.”

Der zentrale Teil einer Strategie ist deshalb nicht, was die Organisation machen wird. Sondern was sie nicht machen wird.

Priorisieren bedeutet streichen. Nicht betonen.

Jede Strategie, die alles offenlässt, ist keine. Sie ist eine Absichtserklärung. Eine Sammlung von Möglichkeiten. Aber keine Richtung.

Eine gute Strategie schließt Optionen aus. Sie sagt klar: Das tun wir nicht. Dort gehen wir nicht hin. Diese Kunden wollen wir nicht.

Das ist unbequem, weil es Verzicht bedeutet. Und Organisationen mögen keinen Verzicht. Sie mögen Optionen. Flexibilität. Offenheit.

Aber ohne Verzicht gibt es keine Strategie. Nur vage Pläne, die sich als Strategie tarnen.

Die Frage ist also: Steht in der Strategie, was nicht getan wird?

Warum viele sich für Strategen halten – aber keine sind.

Hier wird es heikel. Denn viele Unternehmer und Geschäftsführer halten sich für strategisch. Sie planen. Sie denken voraus. Sie setzen Ziele.

Aber Planung ist nicht Strategie.

Wer Strategie mit Planung verwechselt, arbeitet mit der Annahme, dass die Zukunft berechenbar ist. Dass es Wissen gibt, wie man von A nach B kommt.

Ein Stratege arbeitet mit der Annahme, dass die Zukunft unsicher ist. Dass es keine Garantien gibt. Nur Wetten.

Die Frage ist also: Plant Ihre Geschäftsführung – oder definiert sie Räume und geht Wetten ein?

Beides ist wertvoll. Aber es ist nicht dasselbe.

Und manchmal sind Geschäftsführer und Vorstände keine Strategen. Vielleicht sind sie exzellente Planer. Optimierer. Umsetzer.

Das ist keine Abwertung. Es ist eine Feststellung. Und eine, die Konsequenzen hat.

Was passiert, wenn die Wer-Frage gestellt wird.

Wenn die Frage nicht mehr lautet “Wie machen wir Strategie?”, sondern “Wer kann Strategie?”, ändert sich meist alles.

Plötzlich wird klar, dass es vielleicht niemanden gibt. Oder nur eine Person. Oder jemanden, den niemand auf dem Schirm hatte.

Talente brauchen ein Problem, damit sie anspringen. Sie sind sich ihres Talents oft nicht bewusst, weil es für sie normal ist. Sie denken: “Ist doch klar. Sieht doch jeder.”

Wenn die Wer-Frage gestellt wird, zeigen sich diese Talente. Weil sie plötzlich gefordert werden. Weil das Problem Ihr Talent anspringen lässt.

Die entscheidende Frage ist also: Gibt es in der Geschäftsführung jemanden, der strategisches Gespür hat? Jemand, der Wetten eingehen kann? Der Optionen ausschließt, statt sie offenzuhalten?

Wenn ja, braucht diese Person Raum und Entscheidungsmacht.

Wenn nein: Gibt es jemanden in der Organisation? Jemand, der vielleicht in zweiter Reihe arbeitet, aber strategisch denkt?

Wenn es keinen Strategen gibt hat die Organisation ein Problem. Das zu erkennen, ist aber der zentrale Schritt, um handlungsfähig zu werden. Sich auf die Suche zu machen nach einem Strategen.

Warum Strategie nicht demokratisch sein kann.

Manche Organisationen versuchen dann, Strategie demokratisch zu entwickeln. Alle werden eingeladen. Jeder darf mitreden. Konsens wird gesucht.

Das ist ein Fehler. Nicht weil demokratische Prozesse generell schlecht sind, sondern weil Strategie eine andere Logik hat.

Systemtheoretisch betrachtet: Menschen, die operativ an der Schnittstelle zum Markt die Wertschöpfung sichern, wollen aus Ihrer Rolle heraus den Status quo sichern und optimieren. Das ist ihr Auftrag. Das ist sinnvoll.

Der Blick in die Zukunft ist nicht ihre Aufgabe. Dafür ist das Zentrum zuständig. Die Geschäftsführung. Der Inhaber. Die, die am System arbeiten und das Unternehmen vorantreiben.

Mitarbeiter kommen und gehen. Sie haben ein berechtigtes Interesse an ihrer persönlichen Entwicklung. An ihrem Gehalt. An ihrer Sicherheit. Sie wollen nicht wetten. Sie brauchen Stabilität.

Aber Strategie ist eine Wette. Ins Ungewisse.

Die strategische Entscheidung sollte deshalb immer ganz oben getroffen werden. Idealerweise beim Inhaber. Bei der Geschäftsführung. Bei denen, die langfristig Verantwortung tragen.

Das ist keine Arroganz. Das ist Verantwortung.

Was konkret getan werden kann.

Wenn Strategie in einer Organisation ernst genommen werden soll, beginnt man hier:

Der Begriff Strategie wird im Führungskreis eindeutig definiert. Was meinen alle, wenn sie von Strategie sprechen? Was nicht?

Die Wer-Frage wird gestellt. Gibt es jemanden in der Geschäftsführung, der strategisches Gespür hat? Jemand, der Wetten eingehen kann? Der Optionen ausschließt?

Wenn ja, bekommt diese Person die Verantwortung. Nicht als Titel, sondern als echte Entscheidungsbefugnis.

Der Prozess wird transparent gemacht. Allen Mitarbeitenden von Anfang an erklärt, wie Strategie entsteht. Wer entscheidet. Warum. Keine Geheimniskrämerei.

Wenn die Organisation versteht, wie Strategie entsteht und wer sie trifft, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie auch umgesetzt wird.

Der beste Weg: Wenn es einen Strategen gibt.

Wenn es in einer Organisation jemanden gibt, der strategisches Gespür hat, ist der Prozess relativ klar:

Der Stratege entwickelt die Strategie. Alleine oder im engen Kreis mit der Geschäftsführung.

Dann bietet er diese ausgesuchten Führungskräften und Mitarbeitenden zur kritischen Überprüfung und Beratung an. Nicht zur Abstimmung. Die Fragen lauten: Ist die Strategie handlungsleitend? Hilft sie in der operativen Arbeit? Hält sie dem Markt- und Realitätscheck stand?

Hier kann externe Facilitation und Moderation helfen. Jemand Neutrales, der dafür sorgt, dass die besten Argumente gehört werden. Nicht die lautesten. Jemand, der verhindert, dass politische Spiele das Ergebnis verwässern.

Die Entscheidung bleibt beim Strategen. Bei der Geschäftsführung. Beim Inhaber.

Das Motto: Alle hören, aber nicht auf alle hören.

Der schwierigere Weg: Wenn es keinen Strategen gibt.

Das kommt häufiger vor, als man denkt. Besonders in Organisationen, in denen der ursprüngliche Unternehmer und Antreiber nicht mehr da ist.

Nachfolger verwalten oft eher, als dass sie vorantreiben. Sie optimieren. Sie sichern. Sie planen. Aber sie wetten nicht.

Das kann funktionieren. Für eine Weile. Aber langfristig fehlt der strategische Impuls.

Was dann?

Die Entscheidung bleibt immer bei der Geschäftsführung oder dem Inhaber.

Aber: Es kann ein guter Prozess aufgesetzt werden, um strategische Ideen aus der Belegschaft zu generieren.

Zum Beispiel: Ein Team aus Führungskräften entwickelt einen Strategieentwurf für die Geschäftsführung. Mit guten Argumenten. Mit klaren Wetten.

Auch hier macht externe Moderation Sinn. Jemand, der den Prozess neutral führt. Der verhindert, dass politische Spiele oder Hierarchien das Ergebnis verwässern.

Idealerweise zeigt sich in diesem Prozess ein Talent. Jemand, der strategisch denken kann. Der Wetten eingehen will. Der Optionen ausschließt, statt sie offenzuhalten.

Der Prozess sollte diesen Talenten Raum geben, sich zu zeigen.

Der Strategieentwurf wird dann der Geschäftsführung zur Beratung und Entscheidung vorgelegt. Es können Anpassungen vorgenommen werden. Aber die Entscheidung trifft die Geschäftsführung.

Warum der erste Weg besser ist.

Ein Stratege, der weiß, was er tut, ist besser als ein demokratischer Prozess.

Aber wenn es keinen Strategen gibt, ist der zweite Weg besser als gar keiner. Und vielleicht – mit etwas Glück – wird im Prozess jemand sichtbar, den vorher niemand gesehen hat.

Worum es wirklich geht.

Strategie ist kein Prozess. Strategie ist ein Mensch.

Und die entscheidende Frage ist nicht, welche Methode genutzt wird. Die entscheidende Frage ist: Wer in der Organisation hat das Gespür für eine erfolgreiche Zukunft?

Wenn diese Frage nicht beantwortet werden kann, nützt die beste Methode nichts. Dann werden nur Dokumente produziert. Aber keine Strategie.

Die Wer-Frage kann unbequem sein. Denn wenn es keinen echten Strategen gibt, steht die Zusammensetzung der Führung in Frage.

Das ist der Punkt, an dem sich die Zukunftsfähigkeit der Organisation entscheiden kann.

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